Ausgabe Franken-Magazin September / Oktober 2017 | Museum

Die Liebe zum Wissen

Von Mumien, Mönchen und Ungeheuern - Wie es zur ungewöhnlichen Sammlung im Museum Kloster Banz kam.

Text: Adriane Lochner | Fotos: Wolf-Dietrich Weissbach

Seit seiner Gründung um 1070 sah das oberfränkischen Kloster Banz seine geistlichen und weltlichen Bewohner kommen und gehen. Sogar die Klostergebäude sind nicht mehr dieselben wie damals. Nach der Zerstörung im Dreißigjährigen Krieg wurden sie im Barockstil erneuert. Doch eine gute Seele hat das Kloster Banz nie verlassen, nämlich die Liebe zum Wissen. Sie ist es, die sich wie ein roter Faden durch die Klostergeschichte zieht und scheinbar jeden befällt, der sich an diesen idyllischen Ort begibt, hoch oben auf dem Banzer Berg zwischen den Städten Bad Staffelstein und Lichtenfels.

Schädel einer Mumie aus dem 7./6. Jh. vor Christus.

 

Museumsleiterin Brigitte Eichner-Grünbeck in ihrem „Kuriositätenkabinett – in der Vitrine eine ägyptische Mumie.

Von Weisheit und Tatendrang zeugen die Exponate im Banzer Museum, das im sonnigen Sandsteingewölbe der ehemaligen Klosterbrauerei untergebracht ist. Auf den ersten Blick haben die drei permanenten Ausstellungen rein gar nichts miteinander zu tun. Neben Berichten über die geistigen Errungenschaften der Benediktinermönche stößt man hier auf eine von Europas bedeutendsten Fossiliensammlungen. Dazwischen, in der orientalischen Wunderkammer, liegt eine ägyptische Mumie im gläsernen Sarg. Es war die Liebe zum Wissen, die sie alle dort versammelt hat.

Hochgepriesene Stätte der Gelehrsamkeit

Die Mönche forschten auf den unterschiedlichsten Fachgebieten. Dazu gehörten Geisteswissenschaften wie Theologie und Philosophie, aber auch Naturwissenschaften wie Biologie und Mathematik.

Seine Blütezeit hatte das Kloster Banz im 18. Jahrhundert. Dort lebten Benediktinermönche, die sich ganz den Wissenschaften verschrieben hatten. Es ging zu wie an einer Eliteuniversität. Man wollte die besten Köpfe haben und konnte sie sich aussuchen. Banz galt als Ausnahmekloster, als hochgepriesene Stätte der Gelehrsamkeit.  Mehr als 30 Mönche forschten auf den unterschiedlichsten Fachgebieten. Dazu gehörten Geisteswissenschaften wie Theologie und Philosophie, aber auch Naturwissenschaften wie Biologie und Mathematik. Nicht zuletzt, weil die Banzer Mönche keine Angst davor hatten, alle Fragen offen zu diskutieren, schufen sie eines der wichtigsten Bildungszentren der damaligen Zeit.

Die Pyramiden waren ein begehrtes Reiseziel des Adels.

1772 bis 1796 brachten die Banzer Mönche sogar eine eigene Zeitschrift heraus, ein gelehrtes Journal mit Aufsätzen aus allen Wissensgebieten, aus der Theologie, Philosophie, Medizin und Geschichte. Diese Fachzeitschrift wurde weit über Franken hinaus gelesen.  Allerdings fürchteten die Banzer Mönche die Zensur, etwa durch die Diözesen Würzburg oder Bamberg. Deshalb ließen sie die Fachzeitschrift kurzerhand in Coburg drucken.

Urzeitliche Fossilien, damals Petrefakten genannt, gab es in der Region um Banz genug.

Eine historisch wichtige Figur im Kloster Banz war Johann Baptist Roppelt, ein Bamberger Professor für Mathematik und Feldmesskunde. Auf ihn gehen  relativ modernes Kartenmaterial und detaillierte Besitzverzeichnisse des Klosters zurück. Zusammen mit seinem Glaubensbruder, Pater Dionysius Linder, betreute er das klösterliche Naturalienkabinett, den Grundstein für das heutige Bamberger Naturkundemuseum. Anfang des 19. Jahrhunderts, nach der Säkularisation, erwarb Herzog Wilhelm in Bayern die ehemalige Klosteranlage, die ihm fortan als Sommerresidenz diente. Mit ihm kam der Jurist Carl Theodori mit nach Banz. Zur gleichen Zeit war Augustin Geyer Pfarrer der Klosterkirche. Wie es der Zufall wollte, hatten Geyer und Theodori das gleiche Hobby, nämlich die Paläontologie. Urzeitliche Fossilien, damals Petrefakten genannt, gab es in der Region um Banz weiß Gott genug. Vor 150 bis 200 Millionen Jahren lag der heutige Frankenjura nämlich am Grunde eines Meers mit allerhand prähistorischen Kreaturen. Während Geyer gerne nach draußen ging und buddelte, hatte Theodori Zeit und Muße von jedem der Funde eine aufwendige, kunstvolle Steinlithografie anzufertigen. Die Arbeiten Geyers und Theodoris gaben europaweit wertvollen Aufschluß über das Leben im Schwarzen Jura, auch Lias genannt.

Im Jahr 1841 wurde am Fuß des Banzer Bergs Europas größter Fischsaurierschädel mit einer Länge von 2,10 Meter entdeckt.

Geyers Nachfolger Pfarrer Joseph Murk – auch er liebte die Wissenschaft – machte einen Sensationsfund. Im Jahr 1841 entdeckte er am Fuß des Banzer Bergs Europas größten Fischsaurierschädel mit einer Länge von 2,10 Meter. Das gesamte Tier war zehn bis zwölf Meter lang.

Ein Orientzimmer als Gesamtkunstwerk

Herzog Maximilian Joseph in Bayern war ein wissbegieriger Weltenbummler.

1808 wurde in Bamberg Herzog Wilhelms Enkelsohn geboren worden. Der Knabe, der zusammen mit dem Großvater seine Sommer auf Banz verbrachte, war kein anderer als Herzog Maximilian Joseph in Bayern, später Vater der Österreich-Ungarischen Kaiserin Elisabeth, kurz Sisi. Seit den Romy-Schneider-Filmen kennt jeder das ungestüme, sympathische Mädchen. Doch auch das Leben Herzog Max’ wäre eine Verfilmung wert gewesen. Denn er war ein wissbegieriger Weltenbummler. Tochter Sisi wurde im Dezember 1837 geboren, nur einen Monat später brach Max zu einer Reise auf, die wohl die abenteuerlichste seines Lebens werden sollte. Unter dem Decknamen „Graf von Banz“ bereiste er ganz Europa und den Orient. Sein Ziel war es, eine exotische Wunderkammer zusammenzustellen. Über Brenner ging es nach Neapel und Athen bis ins ägyptische Alexandria. 21 Tage lang dauerte die anschließende Kreuzfahrt auf dem Nil. Zum Zeitvertreib spielte Max auf der Zither oder ging jagen – mit Erfolg. Knapp vier Meter lang war das Krokodil, das er und seine Mitstreiter erlegten und noch vor Ort präparierten. Das Ungetüm kann heute im Banzer Museum besichtigt werden. Insgesamt waren Herzog Max und seine Begleiter acht Monate unterwegs, die Reise führte bis nach Jerusalem.

Das kaminrote Reitzeug samt Reiterjacke und Kappe von Herzog Max ist ebenfalls im Museum ausgestellt.

„Herzog Max selbst führte ein Reisetagebuch, man vermutet jedoch, daß er ab und zu ein wenig geflunkert hat“, berichtet Museumsleiterin Eichner. Allerdings war Herzog Max nicht der einzige, der die Reise dokumentierte. Er wurde begleitet von den Malern Carl Theodor von Buseck und Heinrich von Mayr. Letzterer fertigte von jeder Station Zeichnungen und später Lithographien an. Die kunstvollen Bilder zeigen Szenen von der Reise, darunter Kamelkarawanen, orientalische Städte und Wüstenlandschaften, dunkelhäutige Einheimische sowie die europäische Reisegesellschaft. Auf einer der Zeichnungen sitzt Max auf einem stolzen Araberhengst. Das kaminrote Reitzeug samt Reiterjacke und Kappe sind ebenfalls im Museum ausgestellt. „Das Orientzimmer ist ein Gesamtkunstwerk“, sagt Brigitte Eichner, Leiterin des Museums Kloster Banz. In kunstvoll verzierten Schränken und Glasvitrinen findet man dort neben exotischen Tierpräparaten, orientalischen Alltagsgegenständen, Gesteinen und kleineren Grabbeigaben sogar eine menschliche Mumie.

Der 643. Stein

In der Bildmitte der 643. Stein der römisch-ägyptischen Tempelanlage von Dendûr.

Wie der „Graf von Banz“ zu dieser Mumie kam, wird wohl für immer sein Geheimnis bleiben. Die 20- bis 30jährige Frau mißt 1,50 Meter von Kopf bis Fuß. Sie wurde nicht im Sarkophag bestattet wie die großen Pharaonen, sondern lediglich in Kreidetücher gehüllt. „Entweder hat er sie auf dem Basar gekauft, oder bei einer Graböffnung mitgenommen“, so Museumsleiterin Eichner. Denn der damalige Gouverneur von Ägypten Mehmet Ali Pascha habe gerne Sachen ins Ausland verschenkt, etwa die Nadeln der Cleopatra, die großen Obelisken, die heute in New York und London stehen.

Gesammelt wurde alles, was irgendwie interessant schien.

Die römisch-ägyptische Tempelanlage von Dendûr befindet sich seit 1978 im New Yorker Metropolitan Museum of Art, doch ist sie nicht komplett. Ihr fehlt der 643. Stein. Dieser mit Reliefs und Hieroglyphen dekorierte, 165 Kilo schwere Sandsteinblock befindet sich in Herzog Max’ Sammlung auf Kloster Banz.

Versteinerungen – es handelt sich wohl nicht um Lügensteine bzw. Abbildungen davon, wie sie im Bamberger Naturkundemuseum aufbewahrt werden.

Die Liebe zum Wissen weigert sich bis heute, die Klostermauern zu verlassen. Das ehemalige Kloster Banz ist mittlerweile ein Bildungszentrum der Hanns-Seidel-Stiftung, benannt nach dem von 1957 bis 1960 amtierenden Bayrischen Ministerpräsidenten.

 

 

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