Ausgabe 1/2019 | Kulturgespräch

Bambergs Kulturstratege

Fünf Sammlungen, drei Träger, ein Netzwerk – in Bamberg machen Museen und kulturelle Einrichtungen gemeinsame Sache. Mit dieser cleveren Strategie sorgt Bürgermeister und Kulturreferent Christian Lange für neues (Er-)Leben im Museumsquartier am Domberg. Und nicht nur dort.

Text: Sabine Raithel | Fotos: Wolf-Dietrich Weissbach

Herr Dr. Lange, viele namhafte internationale Museumsstandorte von Salzburg bis New York setzen auf Kooperation. Auch in Bamberg geht man diesen Weg. Welche Idee steckt dahinter?

Christian Lange: Nun, in Bamberg begrüßen wir jährlich rund sieben Millionen Tagesgäste; 700000 übernachten in unserer Stadt. Im Mittelpunkt eines Bamberg-Besuches steht für die meisten unsere malerische Altstadt und natürlich der Dom. Bamberg wird als eine Art „Freilicht-Museum“ wahrgenommen. Wir möchten mit unserer Kooperation Gäste – aber auch Einheimische – dazu motivieren, in die Museen zu gehen und sich dort unsere weltweit einzigartigen Sammlungen und Sonderausstellungen anzusehen. Deshalb haben wir das Diözesanmuseum, das Historische Museum, die Staatsgalerie und die Staatsbibliothek sowie die Neue Residenz miteinander vernetzt. Es gibt eine gemeinsame Dachmarke „Domberg-Museen um den Bamberger Dom“, eine Koordinationsstelle, gemeinsam orchestrierte Veranstaltungen und Ausstellungen sowie gemeinsames Marketing. Unter dem Dach bleiben die Häuser jedoch selbstständig. Im Nebeneffekt möchten wir natürlich unsere Gäste länger in der Stadt halten und die Zahl der Übernachtungen stärken.

Sie haben im Rahmen eines Dachmarken-Prozesses den „Freundeskreis Museen um den Bamberger Dom“ ins Leben gerufen, ein Best-Practice-Beispiel einer Public-Private-Partnership …

Christian Lange

Lange: Ja, ohne bürgerschaftliches Engagement funktioniert so etwas nicht. Wir haben derzeit rund 75 Mitglieder – darunter viele Unternehmen, aber auch Einzelpersonen. Zum Vorstand gehören namhafte Persönlichkeiten wie Norbert Jung, der Leiter Kunst und Kultur des Erzbistums Bamberg, Walter Schweinsberg, der Geschäftsführer der Mediengruppe Oberfranken, oder auch Altoberbürgermeister Herbert Lauer. Ehrenvorsitzende sind Staatsministerin Melanie Huml, Erzbischof Ludwig Schick und Oberbürgermeister Andreas Starke. Schirmherrin ist die Schriftstellerin Tanja Kinkel. Uns geht es darum, moderne Museumsarbeit am Domberg zu fördern: ideell, finanziell, engagiert und unbürokratisch. Wir generieren Spendengelder, die allen Sammlungen zugute kommen. Aktuell unterstützen wir die Realisierung eines neuen Beleuchtungskonzeptes und die Anschaffung von Vitrinen für die Staatsbibliothek; wir sammeln aber auch Gelder für die Landesausstellung, die wir im Jahr 2022 nach Bamberg holen möchten. Daneben suchen wir die Zusammenarbeit mit Schulen und Bildungseinrichtungen, organisieren Veranstaltungen sowie wissenschaftliche Vorträge und Exkursionen.

Wie lockt man denn insbesondere junge Menschen heutzutage noch ins Museum?

Lange: Das geht nur über attraktive Angebote. Mit unserer Domberg Bamberg App z.B. können junge Besucher eigenständige Touren durch die Museen unternehmen. Eine Schülergruppe des Gymnasiums Ebern hat diese Online-Führungen durch die Neue Residenz und das Historische Museum im Rahmen eines P-Seminars entwickelt. Darüber hinaus zeigt die App die wichtigsten Exponate und Schauräume der Museen und sie informiert über aktuelle Veranstaltungen, Ausstellungen und Öffnungszeiten. Die App ist also nicht nur für junge Leute interessant. Für Kinder gibt es in den Häusern kostenlose Museumsrallyes, Rätselspiele und natürlich viele Mitmach-Stationen. Im Historischen Museum können sie auf einer Bühne Musikinstrumente ausprobieren oder ihren Namen in Hieroglyphen schreiben. Mein dreijähriger Sohn hat das schon ausprobiert. Deshalb kann ich aus eigener Erfahrung sagen: Das kommt richtig gut an. Bei uns gibt es außerdem Ferienprogramme – von der „Reise in die Steinzeit“ über „Spielen wie die alten Römer“ bis zum „Comiczeichnen-Workshop“.

Apostelabschied. Wolfgang Katzheimer zugeschrieben, Mischtechnik auf Holz; nach 1483, vor 1487, Inv. Nr. 46, zu sehen im Historischen Museum Bamberg

Im Diözesanmuseum können sich unsere jungen Besucher als Forscher betätigen oder sich mit der Mode im Mittelalter beschäftigen. Besonders beliebt sind unsere Kindergeburtstage im Historischen Museum. Für eineinhalb Stunden tauchen die Kinder in die Welt von Rittern, Nixen und Dämonen ein, lösen spannende Rätsel und gewinnen mit Ritter Georg den Kelch der Flussprinzessin zurück.

Für ältere Jugendliche veranstalten wir u.a. in den Domberg-Museen Jazzkonzerte oder Poetry Slam. Was mir wichtig ist: Man kann nicht früh genug anfangen, Kinder an Kunst heranzuführen. Wer als Kind im Museum war, der wird das auch als Erwachsener tun. Umgekehrt motivieren viele Kinder, die unser Angebot kennen, ihre Eltern dazu, mit ihnen eine Ausstellung anzusehen.

In diesem Jahr gibt es ein besonderes Jubiläum: Die erste demokratische Verfassung des Freistaats, die „Bamberger Verfassung“ wird 100 Jahre alt …

Lange: Passend zu diesem Thema haben wir unser neuestes Projekt „Demokratie to go“ entwickelt: ein Angebot für Schüler zum Thema Wertedialog und Demokratiebildung.

„Demokratie to go“ ist als Halbtagesprogramm konzipiert. Es beginnt mit der Stadtführung „Bamberg voller Revoluzzer“. Wir tauchen ein in das Bamberg vor etwa 200 Jahren – einer Zeit großer Veränderungen: Vom Zentrum des eigenen Fürstbistums an den Rand des Herrschaftsgebietes Bayerns zu rutschen, brachte Chancen und Probleme. Dazu kam die Auflösung der Zünfte, die Industrialisierung, die Einführung neuer Verkehrsmittel und -wege wie Eisenbahn oder Ludwig-Donau-Main-Kanal. Bauwerke, Stadtteile und Institutionen entstanden, die heute noch zu finden sind. Und als mutige Bamberger versuchten, an einer neuen demokratischen Gesellschaftsstruktur mitzuwirken, wurden im Theater die 14 Bamberger Artikel verlesen.

Der Stadtrundgang bringt den Schülern diesen Aufbruch in eine neue Zeit voller Spannungen und Brüche erlebnisreich nahe. Anschließend geht es weiter in die Ausstellung „Von der Romantik bis zur Gründerzeit. Bamberger Bürgerkultur im 19.Jh.“ Hier erhalten die Schüler Einblicke in die bürgerliche Alltagswelt des 19. Jahrhunderts und erkennen, wie sich die enormen politischen und gesellschaftlichen Veränderungen jenes Jahrhunderts auf das Leben der Bamberger Bürger auswirkten. In der Neuen Residenz geht es dann um Frauenrechte und den Schauplatz bayerischer Verfassungsgeschichte im Jahr 1919, als die gewählte Regierung Ministerpräsident Hoffmanns und der Landtag in Bamberg tagten. Für mich ist diese Ausstellung gerade in der jetzigen Zeit fundamental wichtig. Es geht hier um politische Bildung und das Verständnis für Demokratie.

Nicht nur junge Leute gilt es für einen Museumsbesuch zu begeistern – auch Erwachsene tun sich oft schwer damit. Für diese haben Sie sich ein besonderes „Appetitshäppchen“ ausgedacht …

Lange: Die sogenannten „Kunstsnacks in der Mittagspause“ sind inzwischen bestens etabliert. 2019 bieten wir elf unterschiedliche Führungen an. Kulturhungrige bekommen jeweils um 12:30 Uhr für 25 Minuten geistige Nahrung. Serviert werden die Snacks in den Häusern reihum, in der Regel vom jeweiligen Hausherrn oder der Hausherrin. Dabei steht meist ein Ausstellungsobjekt im Fokus und wird genauer beleuchtet.

In der eigens konzipierten Führung „Götzen, Papst und Kaiser“ zeigen Sie in nur 90 Minuten Highlights aus allen fünf Museen …

Lange: Die Führung gibt einen Überblick zur Kulturgeschichte der Stadt: eine 90-minütige Zeitreise vom Mittelalter bis zum Barock durch die verschiedenen Museen. Station ist unter anderem das Gemälde „Apostelabschied“ im Historischen Museum. Das Bild zeigt die älteste erhaltene Stadtansicht Bambergs und zählt zu den ältesten Stadtpanoramen überhaupt. Dann geht es zum „Sternenmantel“ Kaiser Heinrichs und dem Papstornat im Diözesanmuseum; anschließend zum Kaisersaal und in die Barockgalerie in der Neuen Residenz.

Was steckt hinter dem Projekt „Domberg goes YouTube“?

Lange: Eine Zusammenarbeit mit dem Lehrstuhl für Kunstgeschichte der Uni Bamberg: Im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit und Museumspädagogik erhielten Studierende die Möglichkeit, einzelne Kunstobjekte in Videoclips vorzustellen. Dabei geht es nicht um einen trockenen, wissenschaftlichen Vortrag. Die Herausforderung besteht darin, innerhalb von ca. 90 Sekunden bei den Zuschauern Interesse und Begeisterung für das Werk zu wecken. Die Clips werden im Rahmen des „Internationalen Museumstags“ am 19. Mai erstmals präsentiert.

Worauf dürfen wir uns am „Internationalen Museumstag“ noch freuen?

Lange: Studierende der Uni Bamberg sind als „Ciceroni“ in der Staatsgalerie vor Ort, um Besuchern die Gemälde näherzubringen. Außerdem gibt es Zitherkonzerte und Kostümführungen, Kurzführungen greifen das Thema „100 Jahre Bamberger Verfassung“ bzw. deren Vorgeschichte auf, und natürlich ist für Familien und Kinder einiges geboten – angefangen bei Museumsrallyes in den einzelnen Häusern über eine mittelalterliche Schreibwerkstatt in der Staatsbibliothek, selbst gebasteltem Schmuck im Historischen Museum bis hin zu einer „Engelwerkstatt“ im Diözesanmuseum.

Die Vernetzung der fünf Museen war der Beginn einer weitreichenden Strategie …

Lange: Wir arbeiten mit voller Energie daran, im Jahr 2022 die bayerische Landesausstellung „Typisch fränkisch“ nach Bamberg in das Historische Museum zu holen. Wir werden im Falle eines Zuschlags das Haus in weiten Teilen räumen und anschließend – nach der Landesausstellung – neu strukturieren. Von der Landesausstellung erwarten wir uns einen dynamischen Schub für unsere weiteren Projekte. Im Übrigen verfolgen wir das Ziel, das kulturelle Leben in Bamberg zu dezentralisieren. Das soll sich künftig in der ganzen Stadt und nicht nur um den Dom herum abspielen. So sollen auch das Quartier um den Michelsberg, das Gärtner- und Häckermuseum, das Brauereimuseum und das Naturkundemuseum gestärkt werden.

Wir wollen für die Landesausstellung ein temporäres Wein- und Biermuseum in der Alten Hofhaltung etablieren. Geplant ist außerdem, aus dem historischen Kesselhaus in der Sandstraße ein modernes städtisches Kulturzentrum zu machen, mit Ausstellungsräumen für zeitgenössische Kunst, Räumen für Musikproben und Konzerte sowie einer Freilichtbühne. Mein Ziel ist eine nachhaltige Weiterentwicklung des kulturellen Lebens in unserer Stadt und seiner vielen Facetten.

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